Wie fange ich an?

Wissenschaftliches Schreiben ist ein Handwerk und wie jedes Handwerk kann es durch Wiederholung und Übung erlernt werden. Ein wichtiger Punkt beim Erlernen des wissenschaftlichen Schreibens ist zu wissen, was in welchem Kapitel der Bachelorarbeit abgehandelt werden soll. Jeder wissenschaftliche (Schreib-)Prozess beginnt mit einer Frage: Ohne Fragen ist es unmöglich, einen Forschungsweg einzuschlagen. Diese Handreichung behandelt die Frage, wie man den Schreibprozess der Bachelorarbeit angehen kann.

Ihr Schreibprozess beginnt nicht erst, wenn Sie das erste Wort schreiben, sondern schon in dem Moment, an dem Sie sich entscheiden, ein (Bachelor-)Seminar zu belegen. Im Laufe dieses Prozesses stehen Sie vor unterschiedlichen Aufgaben, die unterschiedliche Techniken des Lesens und Schreibens erfordern. Außerdem hat Feedback in den unterschiedlichen Phasen ihres Schreibprojektes unterschiedliche Fokuspunkte.

In der prozessorientierten Schreibdidaktik sprechen wir von (Schreib-)Phasen. Es gibt verschiedene Modelle, die den Schreibprozess unterschiedlich differenziert darstellen. Eines der gängigsten Modelle unterscheidet folgende fünf Schreibphasen eines Schreibprojektes:

  1. Orientierung und Themenplanung
  2. Material sichten und strukturieren
  3. Rohtext verfassen
  4. Feedback und Revision
  5. Korrigieren und finalisieren

Diese Phasen sind nicht linear, sondern zyklisch und wiederholen sich nach Bedarf unterschiedlich oft. Sie können davon ausgehen, dass die Phase „Rohtext verfassen“ doppelt so lange dauert wie die Phasen 1-2 und 4-5. Planen Sie deswegen ausreichend Zeit für jede Phase ihres Schreibprojektes.

Abbildung 1. Phasen eines Schreibprojektes, adaptiert von K. Dreo, nach Wolfsberger (2007) und Girgensohn & Sennewald (2012).

In der ersten Phase suchen Sie nach einem adäquaten Thema und orientieren sich innerhalb des Faches; entweder durch Rückgriff auf die Seminare, die Sie schon belegt haben oder durch Fachbücher, welche Sie in den jeweiligen Fachbibliotheken finden können. Außerdem steht Ihnen auch der Online-Recherchetool der Universitätsbibliothek (u:search)und mit ihr verbundene Kataloge zur Verfügung. Wenn Sie sich für ein Thema entschlossen haben und sich entsprechend eingelesen haben, dann sollten Sie sich der Eingrenzung und der Formulierung einer Forschungsfrage[1] widmen, welche Ihre weitere Recherche steuern wird.

Wenn Sie die Forschungsfrage formuliert haben, beginnt die zweite Phase, in welcher Literatur geordnet wird, Daten erhoben und vorbereitet werden. Folgend wird eine Struktur für das weitere Verfahren entwickelt. In der dritten Phase fangen Sie einen ersten Text zu Schreiben, in welchem Sie Ihre Forschung zum ersten Mal festhalten[2]. Der point-of-no-return (siehe Abbildung 1) soll sie darauf aufmerksam machen, dass es einen Punkt gibt, wo die Recherche und das Lesen in den Hintergrund rücken und das Schreiben anfangen sollte, damit Sie rechtzeitig fertig werden. Wenn Sie den Rohtext (oder Teile davon) fertiggestellt haben, holen Sie sich Feedback ein (vierte Phase). Wenn Sie Feedback erhalten haben, weben Sie dieses in Ihre Arbeit ein und bearbeiten den Text entlang des Feedbacks[3]. Die letzte Phase des Schreibprozesses ist die Fertigstellung der Arbeit. Hier werden feinschliffe vorgenommen: Die Sprache wird auf den wissenschaftlichen Standard gebracht, die Rechtschreibung und Grammatik korrigiert, die Arbeit formatiert und „Druckbereit“ gemacht.

Das Schreiben einer Arbeit ist ein komplexer Prozess, der eng mit den Schritten Ihres Forschungsdesigns verbunden ist. Merken Sie sich, dass Sie ausreichend Zeit benötigen und, dass Sie relativ früh mit der Entwicklung der Forschungsfrage anfangen sollten. Sie ist der Schlüssel für Ihren roten Faden und für zielorientiertes Schreiben wie auch Forschen. Eine präzise und gut durchdachte Forschungsfrage hilft Ihnen die Arbeit kohärent zu machen und die Theorie sowie die Methode an die Frage zu knüpfen. Sie können davon ausgehen, dass Sie im Idealfall (wenn Sie sehr gut in die Materie eingelesen sind), bei einem Arbeitsaufwand von acht Stunden, im Durchschnitt, zwei qualitativ hochwertige Seiten am Tag schreiben können. Diese sollten dann inhaltlich, strukturell und sprachlich auf dem wissenschaftlichen Niveau sein.

Abschließend wollen wir betonen, dass niemand aus einem Zug eine perfekte Arbeit schreiben kann. Es benötigt viel Wissen, Mühe und Überarbeitung, um den Prozess zu bewältigen. Schalten Sie bewusst den inneren Zensor aus und holen Sie sich oft wie möglich Feedback von verschiedenen Personen mit unterschiedlicher Expertise. Mit Rückmeldungen zu Ihrem Text wachsen Sie gemeinsam mit Ihrer Arbeit und lernen das Handwerk des wissenschaftlichen Schreibens, welches Ihnen als Schlüsselkompetenz im weiteren Studium behilflich sein kann.

 


[1] Die Forschungsfrage ist das Fundament Ihrer Arbeit und steuert die Recherche wie auch das Schreiben. Eine wissenschaftliche Arbeit ist vereinfacht ausgedrückt, die Verschriftlichung des Weges zur Antwort auf Ihre Forschungsfrage.

[2] Abhängig von der Arbeit und der Form der Erhebung von Daten können Teile des Rohtextes auch während der ersten und zweiten Phase entstehen.

[3] Abhängig von der Lesbarkeit und Prägnanz Ihrer ersten Version, werden Sie mehrere Feedback- und Überarbeitungsschleifen durchgehen müssen. Dies ist ein Teil des Schreibprozesses und sollte Sie nicht erschrecken. Mit jedem Feedback wird ein Text eine Spur besser.

Tipps

  1. Schreibprozesse sind sehr individuell und jede*r Autorin/r entwickelt eine eigene Strategie mit Erfahrung.
  2. Dieses Prozessmodel ist nicht linear und stellt keine Regel dar. Es soll Ihnen eine Übersicht über die Unterschiedlichen Tätigkeiten und Phasen eines Schreibprojektes geben.
  3. Feedback ist wichtig. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, um Feedback zu erhalten. Die Lehrenden und Betreuenden, die Familie und Freunde wie auch Ihre Kommiliton*innen. Wichtig ist, dass Sie im Voraus überlegen was Sie wem fragen können und auf was Sie Feedback haben wollen. Je detaillierter die Fragen, die Sie stellen sind, desto detaillierter wird das Feedback sein. Ergänzend können Sie auch die Formate des CTL (Schreibmentoring und Schreibberatung) nutzen, um Feedback zu erhalten oder know how zum wiss. Schreiben zu erlernen.